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Ein Trullo für den Weinberg

Einmaliges Projekt in Obernhof. Freiwillige bauen Wingertschützhütte in trockenmauerbauweise wieder auf.

Bereits im Jahr 2019 hatte der damalige Naturparkpraktikant Tom Riester die Standorte alter Weinbergshütten in Weinähr und Obernhof erfasst und kartographisch festgehalten.

Viele der Ruinen sind von besonderer historischer Bedeutung mit landschaftsprägender Wirkung, kamen aber erst durch Gehölzentnahmen zur Rekultivierung der alten Weinbergslagen im laufenden Flurbereinigungsverfahren wieder zum Vorschein.

Für eine dieser Ruinen wird eine für das Lahntal außergewöhnliche Baukonstruktion mit einem Kragkuppeldach aus Stein ohne Mörtel vermutet. Diese Hütte erinnert an bäuerliche Steinbauten in Italien („Trullo“) oder Südfrankreich („Borie“). Für das Dach werden hier Steine über einen runden oder rechteckig Grundriss Schicht für Schicht nach innen etwas überlappend- überkragend- geschichtet bis sich die Steinringe zu einer Kuppel schließen.

Die Hütte am Esterweg in Obernhof (heute am Kassiopeia-Parcours des Lahn-Wein-Stieges) entstand in den 1860er Jahren im Zusammenhang mit der Anlage der Weinbergsterrassen. Sie diente wahrscheinlich dem Wingertschützen, also dem Flurwächter im Weinberg, der u.a. Traubendiebstähle verhindern und Vögel vertreiben sollte, als Unterstand.

Mit dem Wiederaufbau der Wingertschützhütte möchte die Ortsgemeinde Obernhof diese historische Stätte nun wieder erlebbar machen.

Frank Böwingloh, der in Zusammenarbeit mit der Ortsgemeinde das außergewöhnliche Projekt mitinitiiert hat, erläutert: „Die ursprüngliche Wingertschützhütte ist eines der ältesten bekannten Gebäude im Weinberg um Obernhof und Weinähr und ein überregional wertvolles Aushängeschild für die Geschichte des Weinbaus an der Lahn, deswegen möchten wir diese alte Trockenmauerbau-Tradition wieder aufleben lassen und für Besucher, aber selbstverständlich auch für die einheimische Bevölkerung erlebbar machen.“

Auch der Zweckverband Naturpark Nassau ist involviert und fördert das Projekt mit finanziellen Mitteln: „Solch ein Projekt umzusetzen ist eine einmalige Chance. Hierzu müssen die richtigen Leute, zum richtigen Zeitpunkt zusammenkommen“, meint Naturparkreferent Stefan Eschenauer.

„Außerdem werden mit der Maßnahme gleich zwei unserer Naturparkhandlungsfelder abgedeckt. Zum einen schaffen wir ein weiteres touristisches Highlight in der Region und gleichzeitig bietet die besondere Bauart der Hütte in trockenmauerbauweise viele Lücken und Spalten zwischen den Steinen und kann damit auch als Lebensraum für beispielsweise Mauereidechsen dienen“, ergänzt Eschenauer weiter. 

Und tatsächlich wird das Projekt von vielen Seiten unterstützt:

Helge Ehmann, einer der Winzer aus Obernhof hat die Bauleitung für die Mauerarbeiten übernommen und koordiniert eine Vielzahl ehrenamtlicher erfahrende Helfer, die wiederum durch Nico Melchior vom Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal über sein Welterbe-Netzwerk für den Trockenmauerbau akquiriert wurden. Stefan Tannenberg, Naturfilmer aus der Region, hält den Fortschritt des Projektes auch filmisch für die Nachwelt fest.

Bis zur ersten Maiwoche sollen die Grundmauern fertig sein. Die im wahrsten Sinne des Wortes “Krönung des Projektes“ erfolgt dann im Mai mit dem Bau des Kragkuppeldaches, wofür eigens professionelle Expertise eingeholt wird. 

Rainer Vogeler und Helmut Schieder, Experten im Bau von Trockenmauerhütten und Gründer der ersten Trockensteinmauer-Schule Österreichs, reisen dazu aus der Wachau an und werden den Bau der Dachkonstruktion anleiten.  

„Es ist bemerkenswert und freut mich sehr, welchen Anklang dieses Projekt bei all den Freiwilligen aus der Region, aber auch aus anderen Gebieten im nördlichen Rheinland-Pfalz und sogar europaweit findet. Das ist eine tolle Werbung für unsere Gemeinde und die gesamte Region. Deswegen sind wir auch sehr darauf bedacht, den Wiederaufbau dieser außergewöhnlichen Wingertschützhütte nach lahntypischer traditioneller Bauweise mit bestem fachlichen Input zu gestalten“, so Ortsbürgermeister Karl Friedrich Merz.

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